Colonia Dignidad bleibt ein dunkles Kapitel der deutschen Rechtsgeschichte
Folter und Kindesmissbrauch sind nur zwei der Verbrechen, die in der Colonia Dignidad, einer deutschen Sekte in Chile, begangen werden. Seit den 1970er Jahren sind Hartmut Hopp und Reinhard Döring Teil der Leitung der Kolonie. Sie leben derzeit in Deutschland, aber die deutschen Behörden zeigen kein Interesse daran, sie fĂŒr ihre Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.
Zu Beginn des Jahres 2019 wurden die Ermittlungen gegen Hopp und Döring eingestellt. Dieser RĂŒckschlag erschĂŒtterte das Vertrauen der Ăberlebenden und Zeugen in das deutsche Justizsystem. Viele waren bereit, in dem Verfahren auszusagen, wurden aber einfach ĂŒbergangen. Die Berufung der ECCHR-PartneranwĂ€ltin Petra Schlagenhauf gegen diese Entscheidung wurde im Dezember 2020 zurĂŒckgewiesen. Das ECCHR reichte eine Disziplinarbeschwerde ein. Die Betroffenen haben auch einen Antrag auf gerichtliche ĂberprĂŒfung gestellt.
Der Fall
Hartmut Hopp war der Kölner Arzt und ârechte Handâ von Paul SchĂ€fer, dem deutschen GrĂŒnder und Leiter der Sekte. Hopp vertrat Köln auch in der AuĂenpolitik. Im Jahr 2011 wurde er in Chile wegen Förderung des sexuellen Missbrauchs von MinderjĂ€hrigen zu fĂŒnf Jahren Haft verurteilt, entging aber der Strafe durch Flucht nach Deutschland. Ehemalige Bewohner der Colonia Dignidad und Angehörige von chilenischen Opfern sind der Meinung, dass Hopp fĂŒr weitere in der Colonia begangene Verbrechen wie Folter, systematischen Missbrauch von Psychopharmaka und Mord verantwortlich ist. Die Entscheidung der deutschen Staatsanwaltschaft bedeutet jedoch, dass Hopp vorerst keine rechtlichen Konsequenzen fĂŒr seine angeblichen Straftaten zu befĂŒrchten hat.

Reinhard Döring war einer der ersten Deutschen, die SchĂ€fer nach Chile folgten, um beim Aufbau der Siedlung zu helfen. Döring war einer der AnfĂŒhrer der Colonia Dignidad. Er war mit den VorgĂ€ngen in der Siedlung vertraut und war einer der wenigen Bewohner, die direkten Kontakt zur DINA, der chilenischen Geheimpolizei, hatten. Zwischen 1973 und 1977 war die DINA der einflussreichste Nachrichtendienst des Pinochet-Regimes. Die DINA war teilweise auf dem GelĂ€nde der Colognia Dignidad stationiert.
Der Kontext
Die 1961 gegrĂŒndete Colonia Dignidad war eine festungsĂ€hnliche deutsche Siedlung in Chile, die wie eine Parallelgesellschaft mit Mauern funktionierte. In der Siedlung wurden ĂŒber mehrere Jahrzehnte hinweg schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. Gegner des Pinochet-Regimes wurden in der Enklave âverschwundenâ, gefoltert und ermordet. Deutsche und chilenische Kinder waren systematischem sexuellen Missbrauch ausgesetzt. Die Insassen wurden mit starken Psychopharmaka betĂ€ubt.
Das ECCHR und seine PartneranwĂ€ltin Petra Schlagenhauf haben gemeinsam mit Ăberlebenden und Zeugen 2011 Strafanzeige gegen Hopp und 2018 gegen Döring gestellt. Die Anzeigen wurden bei den Staatsanwaltschaften in Krefeld und MĂŒnster eingereicht. Das Hauptziel der juristischen Interventionen in Deutschland besteht darin, die laufenden BemĂŒhungen in Chile zur BekĂ€mpfung dieser Verbrechen zu unterstĂŒtzen.